Sonntag, 16. März 2008

Sehnsucht nach cubic inches

Ganz ehrlich: Ich hatte bei einem dieser Videos Tränen in den Augen. So ergreifend wunder-wunder-wunderschön habe ich seit meiner Fahrt in den Trompeten von Coventry keine Maschine mehr Lebensäußerungen abgeben hören.

http://nelsonracingengines.com/video_drive.html

Diese Fahrzeuge werde ich niemals in meinem Leben fahren, geschweige denn besitzen. Trotzdem, ich werde ihren Klang die ganze nächste Woche im Ohr haben, wenn ich das Dieselcabrio meiner Eltern bewege, und bei jedem Vorglühen werde ich in Tränen des betäubenden Wehmuts und des Grolls gegen deutsche Spritpreise und Zulassungsbestimmungen ausbrechen.

Als ich die Preisliste dieser Company gesehen habe, war ich kurz davor, Kleinholz aus meiner Wohnungseinrichtung zu machen. Für die Hälfte dieses Betrags bekommt man diesseits des Atlantiks gerade mal zwei 1,9er TDI von VW. Die 110-PS-Modelle. Ist dieses Leben nicht manchmal himmelschreiend unfair?

Aber was solls. So viel Leistung ist doch Wahnsinn. Das braucht doch keiner. 61 PS reichen ja wohl, um sich totzufahren, oder?

Donnerstag, 13. März 2008

Schülerredakteur am Werk?

Morgens um zehn vor sechs mit diesem Artikel konfrontiert zu werden, schlägt etwas auf den Magen. Kann natürlich sein, daß ich zu anspruchsvoll bin, aber das Ding besteht in meinem Augen ausschließlich aus kruden Formulierungen. Mich erinnert das an die ersten Gehversuche meiner Kommilitonen im JDF1-Seminar ;-)

Und noch was zum Lachen aus derselben Ausgabe.

Mittwoch, 12. März 2008

"Bild" liegt klar daneben

Hier ist unser Umweltminister, Herr Gabriel, zu sehen. "Bild" kommentiert das folgendermaßen:

"Die Fliegerei bringt ihn mal wieder in die Kritik: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel – hier in einem Flugsimulator des Airbus A 310"


Ich habe nicht die geringste Ahnung, in was für einem Apparat Sigmar da sitzt. Aber ein A310 ist es garantiert nicht. Und auch keiner von unseren Challengern.

Das muß irgendwas kleines Zweimotoriges sein, Turbofan oder -prop. Signifikant sind die Lage des Fahrwerkhebels direkt vor Siggis rechtem Knie (das Weiße unter den drei grünen Punkten) und die Feuerlöschhebel (die vertikalen roten Dinger rechts unter seiner Hand) zwischen den Triebwerksinstrumenten und dem Glareshield. Habe ich so in der Form noch nicht gesehen. Diese beiden Dinge müßten eigentlich genügen, um den Typ identifizieren zu können.

Weiß jemand, was das für eine Kiste ist?

Lösung: Es ist eine Dornier Do-228. Tausend Dank und ein Pilsener gehen an K. W., den frischgebackenen Busfahrer. Airbus, versteht sich. :-)

Es geht munter weiter

Der kleine Zwischenfall am vorletzten Samstag hat die Luftfahrt-Sachverständigen von "Spiegel Online" und "Bild" offenbar in eine Art Dauergeilheit auf lauwarme News versetzt: Wenn bei der Lufthansa jemand pupst, kommt es jetzt in die Zeitung.

Dabei ist mal wieder rein gar nichts passiert: Flug von Köln nach Paris im CRJ, Abgastemperatur unterwegs zu hoch, vorsichtshalber Landung in Brüssel. Drei Leute verstauchen sich beim Aussteigen irgendwas oder haben es mit dem Kreislauf nicht so dicke. Alltag, nichts anderes. An einem durchschnittlichen Tag geschieht so was weltweit mindestens einmal.

Fangen wir mit dem ersten Satz von "Spiegel Online" an:

"Der Jet, der auf dem Flug von Köln nach Paris war, ging heute Vormittag auf dem Brüsseler Flughafen Charleroi nieder."

Das buche ich mal unter stilistischer Freiheit ab. Klingt aber frisch und ungewohnt - öfter mal was Neues, warum nicht? Die Spiegelanten haben dementsprechend einige Sachen auf Lager, von denen noch niemand was gehört hat:

"Zuvor hatten die Instrumente im Cockpit erhöhte Abgaswerte und die Warnung "Engine on fire" ("Motor brennt") angezeigt, wie eine Lufthansa-Sprecherin in Frankfurt am Main sagte."

Soso, erhöhte Abgaswerte. Warum die Kiste trotzdem durch die AU gekommen ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben sie mit ein paar alten Lappen das Cowling während der Messung zugestopft? Oder bei angezogener Handbremse die Kupplung kommen lassen?

"Motor brennt" ist ein heißer Kandidat für die trockenste Übersetzung des Jahres. "Feueralarm am Triebwerk" entspricht eher den Umständen und klingt zudem deutlich dramatischer - wer könnte da widerstehen?

Die Kollegen vom Springer-Verlag haben es nicht wesentlich anders gelöst. Anzunehmen, daß auch sie nur eine Agenturmeldung etwas umgebosselt haben:

"Während des Fluges LH 4284 von Köln nach Paris hatten die Instrumente im Cockpit eine Warnmeldung angezeigt: Zu hohe Abgaswerte! Die können auf eine Überhitzung im Triebwerk hinweisen."

Klingt schon etwas besser, ist aber ebenfalls totaler Schwachsinn.

Nun ja, das kleine gelbe Lämpchen brannte wohl, und in der Bedienungsanleitung steht, daß man den Flug dann nur noch bis zur nächsten Werkstatt fortsetzen darf. Daß sich die Leute auf den Rücksitzen beim Ausste
igen was getan haben, könnte auf ein zügiges Verlassen des Flugzeugs über die Rutschen hindeuten - wenn der CRJ überhaupt welche hat. Bin zugegebenerweise gerade zu faul, das nachzulesen. Aber Spekulation ist ja fruchtlos und böse.

Warum die Kollegen in den Hamburger Redaktionen nicht einfach sorgfältig aus dieser fast "sehr gut" zu nennenden Agenturmeldung der AFP abgeschrieben haben (wie sie das sonst auch mehr oder weniger erfolgreich tun), weiß ich nicht. Dann hätte ich fast nichts zu nörgeln. Dafür bin ich aber hier:

Daraufhin sei die Feuerlöschautomatik ausgelöst worden. Das Flugzeug habe aber sicher landen können.
.
Es gibt keine Feuerlöschautomatik, wohl aber eine Feuerlöschvorrichtung - und die löst der Luftkutscher selbst aus, indem er am großen roten Hebel zieht. Und das "aber" streichen wir mal besser ersatzlos.




Montag, 10. März 2008

Australische Moralrichtlinien

Heute gehts mal nicht um Flugzeuge, sondern um Schweinkram.

Diese Nachricht ist kalter Kaffee, und es ist überhaupt nichts an ihr auszusetzen. Trotzdem ist sie in einer Hinsicht bemerkenswert. Ich bin in meiner Bookmarkliste gerade noch mal über sie gestolpert und habe mich gleich wieder über die beiden letzten Absätze gefreut:


While it is not an offence to bring pornographic material into Australia, an Australian customs spokeswoman said it was an [sic!] crime to bring in 'objectionable' or 'abhorrent' pornography into the country.

This would include materials that 'offend against the standards of morality, decency and propriety generally accepted by reasonable adults', the spokeswoman said.



Ist dieses Statement nicht ein echtes Schätzchen? Da kann man doch wahnsinnig viel dran ruminterpretieren, und das bei so einem delikaten Thema.

Wo fängt es bei handelsüblicher Pornographie denn an, "objectionable" oder "abhorrent" zu werden? Ich finde, Analverkehr ist ein spaßiger und völlig gesellschaftsfähiger Zeitvertreib, aber hält der gemeine Australier das schon für fragwürdig? Und, noch wichtiger, was meint der kurz vor der Pensionierung stehende Zöllner dazu? :-)

Ist "Gina Wild 4 - Jetzt wirds schmutzig" vielleicht noch okay, aber "Gina Wild - Die Spermaklinik" schon nicht mehr, weil da - Verzeihung - nach Herzenslust herumgefistet wird? Fragen über Fragen, die sich schon bei Nullachtfuffzehn-Pornograpie stellen.

So richtig interessant wird es aber bei den "standards of morality, decency and propriety generally accepted by reasonable adults". Ich muß da immer an diesen bekannten Amateurporno aus dem Kit Kat Klub in Berlin denken, in dem ein armes Mädchen auf einer alten Militärpritsche festgeschnallt und mit Dosenravioli übergossen wird, während... na ja, das gehört hier nicht hin. Es gibt sicherlich viele "reasonable adults", die das "generally" schon akzeptieren. Oder diese Pornos aus den USA - drei dieser Schwarzen mit riesigen Penissen, die dann... - nun, Ihr wißt, was dann kommt. Ist das für australische Erwachsene noch im Rahmen des Gesitteten? :-)

Gestern lief auf "Blue Movie Extra" wohl ein leicht peinliches Erotik-Machwerk, das sich um eine entgleisende Gartenparty drehte. Eine der Teilnehmerinnen hatte eine halbe Schwarzwälder-Kirsch-Torte in der Gesäßfalte kleben, während sie von hinten... und so weiter. Ist so was moralisch noch vertretbar? :-)

Mein Lösungsvorschlag: Um Mißverständnisse zu vermeiden, sollte die australische Immigrationsbehörde ein Merkblatt herausgeben, in der detailliert ausgeführt wird, welche pornographischen Handlungen nach australischem Maßstab akzeptabel sind. Oder sie könnte ihre Sprecherin bitten, in Zukunft auf derart phantasieanregende Statements zu verzichten. :-)

Hey, ich will ja nur am Zoll keinen Ärger kriegen.

Dienstag, 4. März 2008

Der Gipfel des Blödsinns

Die "Bild" läuft derzeit auf 150 Prozent und versorgt den Leser stündlich mit neuen Informationen.

Oder schafft es, sich im Stundentakt noch lächerlicher zu machen, das ist Ansichtssache.


"Wie oft kommt es zu Beinahe-Katastrophen am Hamburger Flughafen?"

Ich beantworte das spontan, ohne das jetzt nachzuprüfen, mit:

"In den letzten paar Jahrzehnten so gut wie gar nicht."

"Bild" sieht das anders und führt wahllos eine Handvoll alltäglicher Ereignisse auf, Vogelschlag oder "Fehler im Bordcomputer."

Mir ist schleierhaft, was das mit Beinahe-Katastrophen zu tun haben soll. Aber mann kann ja erst mal dem Leser Angst machen.


Nachtrags-Nachtrag

Diese beiden Artikel aus der Bild sind total schwachsinnig und mit derart vielen Fehlern vollgestopft, daß ich keinen Bock habe, sie auseinanderzufriemeln. Nur ein paar Kostproben:


Die schöne Co-Pilotin (24) steuerte den Airbus. War sie etwa zu unerfahren?

Oder war Maxi J. etwa zu jung, zu unerfahren für den Job?

Die junge Pilotin am Steuer eines trudelnden Flugzeugs

„Wenn schlechte Sicht herrscht, muss der Kapitän übernehmen“, so Kirschneck. Für Wind in Orkanstärke gilt die Regel also nicht.

Axel Raab (Deutsche Flugsicherung): „Weil sie über ein elektronisches Führungssystem verfügt. Der versteht was von seinem Handwerk.“

Vor dem Aufsetzen („Touchdown“) drückt eine Böe die Maschine nach links. Mit Pedalen (3) versuchen die Piloten den Seitenwind auszugleichen.

Totenstille an Bord, Spucktüten werden benutzt

In letzter Sekunde startete Pilot Oliver A. (39) durch, rettete 131 Passagieren und sechs Crewmitgliedern so das Leben



Ich möchte das nicht weiter kommentieren. Ich schäme mich für diese Art von Journalismus.

Die für mich unerklärliche Aussage, daß der Co (die Erste Offizierin - ja, es war eine Frau - klingt blöd) den Anflug durchführen durfte, wird wohl von den Jungs in den zuständigen Foren besprochen werden, und ich will ja nicht ohne Recherche haltlos spekulieren und falsche Urteile fällen.

Wenn ich sie wäre - dann würde ich wegen dieser Aussage

"Die unerfahrene Co-Pilotin flog die Maschine!"

mit jedem Anwalt, die ich bezahlen könnte, wegen Verleumdung über die "Bild" herfallen.

Los, Leute! Anwalts-Spendensammelkonto für Maxi S. (24) gründen! ;-)


Montag, 3. März 2008

Und noch ein Nachtrag

Mir reichts. Ich höre auf, mich zu diesem Thema zu äußern. Schluß. Aus. Ende. Hat keinen Zweck.

"Über die Rollbahn 2-3 seien zum Zeitpunkt des Anflugs der Maschine schwere Sturmböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern gefegt. Bei einem Winkel von 70 Grad zum landenden Flugzeug hätten damit schon fast sogenannte Cross-Winde geherrscht."

Fast ein Crosswind. Bin vom Stuhl gekippt vor Lachen.

Nachtrag zum Wingtip

Ich empfehle, hier ab dem ersten Post von "FloWo" - ungefähr in der Mitte der Seite - mal kurz weiterzulesen. Einfach nur lustig.

...und als Vorgeschmack hier ein Zitat von "IPC":

"Auf SWR3 heisst es zur Zeit: "Der Pi[l]ot hatte schon vor dem Aufsetzen Probleme: Das Flugzeug flog quer zur Landebahn."

Aber was erwartet man auch von einem Radiosender, dessen Homepage aussieht wie aus dem Strato-Baukasten.

Emma und der Wingtip

Herrje, was war am Samstag alles los! Ein Baum fiel auf einen fahrenden ICE, die Feuerwehr legte Sandsäcke am Bürgerfelder Teich, und in Hamburg hat ein Lufthansa-Airbus bei der Landung den Boden mit der Flügelspitze berührt.

An diesem Vorfall mit dem Airbus kann man wunderschön sehen, wie so ein Ereignis heutzutage in die Medien gerät. Ich versuche, das chronologisch darzustellen. Vorhang auf!

Samstag, 01. März 2008, vormittags: Lars T. steht mit Freunden irgendwo am Flughafen Hamburg herum, erfreut sich an den landenden Flugzeugen und photographiert sie. Das nennt man Spotting.

Samstag, 01. März 2008, gegen Mittag: Der Lufthansa-Flug LH044 aus München, ein Airbus A320 namens "Suhl", befindet sich im Anflug auf die Landebahn 23. Das Wetter ist ungemütlich:

EDDH 011220Z 29028G48KT 9000 -SHRA FEW011 BKN014 07/05 Q0984 TEMPO 29035G55KT 4000 SHRA BKN008

Im Klartext: Wind aus 290 Grad, 28 Knoten, in Böen 48. Das ist im Rahmen dessen, was mit dem Airbus A320 im Rahmen der Zulassung demonstriert wurde.

Beim - vielleicht ein winziges Bißchen zu früh erfolgenden - Abfangen der Maschine über der Landebahn wird sie von einer starken Bö erfaßt. Der linke Flügel streift mit der Spitze den Boden.


Samstag, 01. März 2008, genau jetzt: Macht Lars T. das Photo seines Lebens. Die Piloten leiten ein Durchstartmanöver ein und landen kurze Zeit später auf der Runway 33.

Samstag, 01. März 2008, 17:03:40: Lars T. postet das Photo im
Sturm-Thread in seinem Spotterforum.

Samstag, 01. März 2008, am späten Nachmittag: Das Bild macht die Runde. Nutzer "EDFH-FR" stellt es unter dem Thema "Autsch" auf pilots.de, der Mutter aller deutschen Pilotenforen, ein.

Samstag, 01. März 2008, 19:10:45: Der Benutzer "N14AZ" startet einen "LH A320 Getting Rid Of Its Winglet During Landing" genannten Thread auf airliners.net, der Mutter aller Luftfahrtforen, und verweist darin auf den Sturm-Thread.

Samstag, 01. März 2008, 19:36: "JuniorMan" erstellt das Thema "LH A320 Rough Landing @ Hamburg" auf PPRuNe, der Mutter aller Gerüchteküchen und verlinkt Larsens Photo.


Schon auf pilots.de wurde auf ein Video des Ereignisses auf Youtube hingewiesen, das genau wie Videos anderer Landungen am Samstag immer wieder auf verschiedenen Nutzerkonten auftauchte und kurz darauf vom jeweiligen Nutzer entfernt wurde. Am Abend war der Youtube-Account desjenigen, der die Video als erster eingestellt hatte, gelöscht. Zwei Kopien schafften es auf Liveleak.com, von denen eine überlebte.

Und jetzt, dachte ich, gehts richtig rund. Denn meine Kollegen lesen nur zu gerne in oben genannten Foren - in denen nur ein Bruchteil der Teilnehmer Verkehrspiloten sind - mit und schustern sich aus den größtenteils unqualifizierten Kommentaren Unbeteiligter ihre Artikel zusammen. Der englische Boulevard ist dabei federführend, aber auch die BBC macht munter mit und ist sich nicht zu schade, auf diese Foren als "Quelle" zu verweisen. Auf der Startseite von PPRuNe wird mittlerweile darauf hingewiesen, daß die Teilnehmer sich deswegen bitte zurückzuhalten hätten:

"As these are anonymous forums the origins of the contributions may be opposite to what may be apparent. In fact the press may use it, or the unscrupulous, to elicit certain reactions."

Heftig, was?

Auch Journalisten müssen mal Feierabend machen, und deswegen gab es am Samstag abend bei den üblichen Verdächtigen kein Wörtchen über das Ereignis in Hamburg zu lesen. Die Frühschicht von Spiegel Online ist dafür gleich in die Vollen gegangen. Getitelt wird mit dem unschönen Wort

"Horrorlandung"

und danach behauptet, daß es sich um einen "Beinahe-Crash" gehandelt hätte. Der Kollege setzt den Zeitpunkt des Vorfalls mit "gegen 14 Uhr" an. Aber jetzt kommts:

"Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wird dabei das Winglet beschädigt - jener Stummel an Flügelende, der Luftwirbel verringern und so Kerosin sparen soll."

Nach meinen Informationen dürften die "Informationen von SPIEGEL ONLINE" aus den oben genannten Foren stammen. Klingt aber schon mal ganz anderes als beispielsweise:

"In der Online-Community airliners.net wird behauptet, daß dabei das Winglet beschädigt wird - jener Stummel an Flügelende, der Luftwirbel verringern und so Kerosin sparen soll."

Zum ersten: Ein Winglet "verringert" keine "Luftwirbel". Es erzeugt Auftrieb - unter anderem. Und zum zweiten, wenn wir schon dabei sind: Der Airbus A320 hat keine Winglets, sondern Wingtips.

Der Rest des Artikels ist solide und zitiert einen Lufthansa-Sprecher, der die Piloten lobt. Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung darf noch anmerken, daß er so etwas "auf einem deutschen Flughafen noch nicht gesehen [habe]." Abgesehen von der leichten Panikmache am Anfang und den üblichen handwerklichen Fehlern also noch erträglich.

Als die "Bild" auf den Zug aufsprang, rechnete ich mit dem Schlimmsten und erwartete wüste Attacken auf die Piloten. Ich wurde angenehm überrascht - aber das ist wohl der alerten Pressetruppe von der Lufthansa zu verdanken, deren Sprecher Weber ausgiebig zitiert wird. Eine Bildmontage ziert den Artikel, angeblich der Kapitän des Fluges, in Lars T.'s Photo hereingeschnipselt und darunter der Lobpreis:

"Dieser Pilot verhinderte Flugzeug-Katastrophe"
"Dieser Pilot ist ein Held"

"Sie alle entkommen nur knapp einer Katastrophe - weil Pilot Oliver A. (39) perfekt reagiert."

Dem schließt sich eine tüchtig dramatisierte Darstellung des Geschehens an - woher die "Bild" die ohne "circa" oder "etwa" angegebenen "250 km/h Landegeschwindigkeit" (die mir zu niedrig erscheint) nimmt, weiß ich nicht - und die Bezeichnung von Lars T. als "Leser-Reporter". Die "1414" wird er wohl kaum angesimst haben. Interessant wäre zu wissen, ob er dafür mehr als die 400 Euro bekommen hat, die die "Bild" bei Veröffentlichung eines Leserphotos zahlt. Mittlerweile hat "Bild" den Kerl, der das ganze gefilmt hat, zur Fahndung ausgeschrieben. Sachdienliche Hinweise bitte hier einreichen.

Schließlich darf der Kapitän sein Handeln kommentieren:

"Wir leiteten sofort das Durchstarten ein – ein Verfahren, das in der Ausbildung oft trainiert wird. Ein anspruchsvoller Anflug ..."


Durchstarten? Anflug? Was denn jetzt? Aber das ist sowieso frei erfunden. Die Tagesschau erwähnt hierzu Thomas Jachnow, auch Lufthansa-Sprecher:

"Flugkapitän Oliver A. wolle sich nicht öffentlich zu dem Manöver äußern."

Tja, "Bild" - es hätte alles gut werden können. Kein Tribunal für Oliver, stattdessen Seligsprechung. Das wäre ja noch erträglich gewesen. Aber dann noch dem armen Mann Worte in den Mund legen, die er gar nicht gesagt hat - setzen, sechs.

Noch mal zur Tagesschau - die hat zwar auch die seltsam präzisen 250 km/h im Artikel, bleibt aber sachlich und hat lediglich den Klassiker im Programm:

"Mit einem Durchstartmanöver konnte der Pilot das Flugzeug mit 137 Menschen an Bord wieder unter Kontrolle bringen."

Kleiner Tip: Da vorne sitzen zwei Piloten, nicht nur einer. Und "unter Kontrolle bringen" steht nicht in kausalem Zusammenhang mit dem "Durchstartmanöver".

Und noch ein Schmankerl zum Schluß. Auf pilots.de erwähnt Nutzer "JBL", daß Jörg Kachelmann sich beim Tagesthemen-Wetter die Frage gestellt habe, warum LH044 wegen der geringeren Seitenwind-Komponente nicht von vornherein den Runway 33 statt der 23 angeflogen habe.

Nun, vom Wetter hat Herr Kachelmann zweifelsohne Ahnung. Aber da er sich nicht im Besitz einer Berufspilotenlizenz befindet und beim Anflug nicht im Cockpit der LH044 saß, sollte er sich diese Frage besser nicht stellen, da er sie nicht beantworten kann.


Zeit für ein Resümee: Hätte der wackere Lars T. sich am Samstag nicht aus der warmen Wohnung herausgewagt, hätte die Welt wohl erst von diesem Vorfall Notiz genommen, wenn die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung ihren Bericht fertiggestellt hätte - und dann wohl auch nicht in dem Ausmaß, in dem es jetzt geschehen ist. Aber er hat sein Photo gemacht und ins Internet gestellt. Was dann folgte, ist ein Fall für die Lehrbücher.

Eine derart rasend schnelle weltweite Kenntnisnahme dieser Windbö und ein derartiges Medienecho hätte es vor ein paar Jahren nicht gegeben. Es ist nur logisch, daß die mittlerweile blitzartig funktionierende Luftfahrt-Gerüchteküche im Internet mit Argusaugen von der Presse beobachtet wird. Das erfordert auf Seiten der Journalisten nüchternes Denken, überlegtes Handeln und viel Sorgfalt ohne "Wir-sind-die-Ersten"-Schaum vor dem Mund, wenn man aus solchen Informationsfetzen eine verantwortungsvolle Veröffentlichung machen will.

Die Behandlung dieses Vorfalls in den Medien ist wie immer teilweise in die Hose gegangen, mit den üblichen Handlungsmustern der üblichen Verdächtigen. Die ganz schlimmen Dinger sind diesmal ausgeblieben. Wenn - Gott bewahre! - statt des umgeklappten Wingtips eine Bruchlandung stattgefunden hätte, mit Toten und Schwerverletzten, stünde jetzt nichts von heldenhaften Piloten in der Zeitung. Das Video der Landung wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur öffentlichen Exekution der Piloten und mutwilliger Schuldzuweisung genutzt worden. Aber Oliver A. hat ein Glanzstück hingelegt, und alles ist gut.






Quizfrage: Wo in diesem Eintrag spekuliere ich haltlos? ;-) Der erste, der es entdeckt, kriegt ein Pils.