Montag, 4. August 2008

Die alten bösen Lieder (2)

Wieder zur Luftfahrt, meinem liebsten Steckenpferd. Es ist schon etwas her, daß eine Boeing 747 der Qantas in Malaysia gelandet ist, da der Druck in der Kabine während des Reisefluges plötzlich abfiel. So what? Passiert fast täglich irgendwo auf der Welt.

Okay, es sah natürlich spektakulär aus.

Am 25. Juli 2008 geschah das, und tagesschau.de meldete das natürlich. Bernd Musch-Borowska, der "ARD-Hörfunkkorrespondent Singapur", fabrizierte dazu drei Tage später einen erschreckend mangelhaften, unqualifizierten Bericht.

Ich bin mir sicher, daß die ARD ihre Auslandskorrespodenten-Posten nicht nach dem Zufallsprinzip vergibt und Herr Musch-Borowska ein gestandener Journalist ist. Offensichtlich hat er aber - mit Verlaub, Herr Kollege - nicht mal einen blassen Schimmer von Luftfahrt.

"In 8000 Meter Höhe reißt der Rumpf eines Flugzeuges plötzlich auf, die Maschine sackt tausende Meter ab."

Nein! Nein! Nein, nein und nochmals Nein! Sie ist nicht "abgesackt"! Die Piloten haben die Reiseflughöhe verlassen, weil sie einen Druckverlust in der Kabine bemerkten. Daß man dann um "tausende Meter" tiefer fliegt, will ich ja wohl hoffen - denn sonst sterben alle Mann an Bord an Atemluftmangel, wenn die Sauerstofflaschen leer sind. Vom Erfrieren gar nicht zu reden.

"Die Passagiere sahen Rumpfteile am Fenster vorbei fliegen"

Müssen die aber eine rasche Wahrnehmung haben, wenn plötzlich etwas mit fast vierstelliger km/h-Geschwindigkeit an ihnen vorbeirauscht und sie das erstens nicht nur wahrnehmen, sondern zweitens auch noch im Halbdunkel korrekt als Rumpfteil identifizieren können.

"Und erst dachte ich, dass da auch Rauch war, aber es war kein Rauch sondern eher Kondensationsnebel."

Volltreffer. Eiskalter Schluß. Da war wohl Adrenalin mit im Spiel - sonst denkt man nicht so klar über physikalische Phänomene nach, wenn plötzlich die Masken runterfallen, die Ohren schmerzen, der Magen steigt und alle Menschen um einen herum schreien.

"Dem Piloten gelang es, das Flugzeug nach einem kontrollierten Sinkflug von mehreren 1000 Metern sicher in Manila notzulanden."

Ein Buchstabe anders, und alles wäre richtig. Aber das werden meine Kollegen niemals lernen. "Den" Piloten heißt es! Da vorne sitzen zwei Mann! Mindestens - auf so einer langen Strecke hat Qantas zwei zusätzliche Erste Offiziere dabei, die ihre Kollegen schichtweise ablösen. Alle sind sie Piloten, und die zwei in den Chefsesseln landen das Flugzeug gemeinsam. Nicht einer alleine!

Korinthenkackerei beiseite: Das war keine waidwund geschossene B-17, die 1943 auf einem englischen Behelfsflugheld mit nur noch einem funktionierenden Motor und einem Flügel (Scherz) landet, sondern ein fast vollständig intaktes Verkehrsflugzeug. Daß den Jungs die Landung "gelang", finde ich nicht weiter erwähnenswert - das erwarte ich sogar.

"Auf dem Monitor sah ich, dass wir gerade über dem südchinesischen Meer waren und ich dachte, entweder schaffen wir es noch bis nach Manila oder wir gehen hier irgendwo im Wasser runter."

Das steht drin, damit sich der Leser damit identifizieren kann. Wer sich mit so was identifizieren kann - okay, bitte. Ich könnte auf so einen Scheiß verzichten. Armageddon ist anders.

"Die Ursache für den Zwischenfall steht noch nicht fest."

Ach was. Das dauert auch Monate oder Jahre, bis die Ursachen für solche Zwischenfälle feststehen. Das ist nicht so einfach wie "Hab vergessen zu tanken und bin auf der A59 ausgerollt." Wird immer wieder geschrieben, obwohl es total überflüssig ist.

"Vier Experten der Fluglinie sind auf dem Weg nach Manila, [...]"

Warum müssen das immer "Experten" sein? Erinnert Ihr Euch an die Stelle aus "The Big Lebowsky", als die Lebowsky-Tocher dem Dude auf VHS vorführt, was Bunny Lebowsky so in ihrer Freizeit treibt? Bunnys hübsche Freundin fragt Karl, den deutschen Porno-Stecher, wer er denn sei, und er sagt völlig zu Recht: "Mein Name ist Karl, ich bin Experte."

Solche Menschen sind Experten. Wie wäre es hier stattdessen mit Ingenieuren, Technikern oder Sachverständigen? Herrje, selbst Karl Moik ist Experte!

Für Volksmusik.

"Qantas gilt als eine der sichersten Fluggesellschaften der Welt. In den vergangenen zehn Jahren gab es nur zwei spektakuläre Vorfälle, verletzt wurde dabei niemand."

Na ja - das Hole-in-One mit der 747 auf dem Golfplatz zwischen den Landebahnen des Bangkoker Flughafens (den gibt es wirklich - den Golfplatz) lasse ich zwar als "spektakulär", aber nicht mehr als "Vorfall" durchgehen. Das war ein astreiner Unfall und pures Glück, daß niemand zu Schaden kam. Okay, wahrscheinlich hat der Greenkeeper nen Herzschlag bekommen.

Bei Veröffentlichung des Artikels stand da sinngemäß übrigens noch, daß noch nie ein Passagierflugzeug von Qantas verlorenging. Müßt Ihr mir jetzt glauben, da das inzwischen geändert wurde. Zwar ist nie ein Qantas-Jet verunglückt, aber mit Propellermaschinen gab es Abstürze. Herr Musch-Borowska hätte mit einem kurzen Blick in die Wikipedia diesen kapitalen Bock verhindern können. Hat er aber nicht - finde ich bemerkenswert. Hat er Rain Man gesehen und an die Urban Legend geglaubt?

Also, Tagesschau: So wird das in Zukunft nichts. Laßt doch einfach mich die Artikel schreiben. :-)

Keine Kommentare: